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Sonntag, 17. November 2013

Trockenschwimmen einer toten Spezie

... oder SALTO MORTALE IN EINEM RESTAURANT.

Eine Makrele, eine gegrillte, bestellte ich. Einen Salatteller dazu. Lange dauerte es nicht. Eine korpulente Frau mittleren Alters, Hausfrau-Typ mit Schürze, servierte das von mir Gewünschte. Dazu ein Zitronentuch zum Säubern. Das Fischbesteck war mir noch fremd. Verwundert schaute ich auf die seltsame Form der Schneide des Messers.
Unschlüssig nahm ich die Gabel in die linke Hand. Dieses Fischmesser in die rechte.

Die Makrele sah lecker aus. Mittelbraun gegrillt auf dem Holzkohlenfeuer. Das sah man.

Meine erste Makrele!

In dem kleinen Fischrestaurant befand sich hinten, in der Ecke sitzend, noch ein Paar. Ansonsten war es menschenleer. Fast still, ruhig, keine Musik oder sonstigen Geräusche.

Unsicher schaute ich den Fisch an, wie er dalag, vor mir auf dem ovalen Teller.

"Wie isst man eigentlich einen Fisch?", flüsterte ich für mich.

Noch einmal schaute ich in die Runde. Das Paar, verliebt und mit sich beschäftigt, ansonsten kein Augenpaar, welches meine Unsicherheit in Bezug auf den Angriff der Makrele mitbekam.
Ich konnte also sorgenfrei zum frontalen Kriegszug übergehen.
Dieser äußerte sich darin, dass ich erst einmal vorsichtig die Äuglein des Fischleins in Augenschein nahm. Der Fisch offensichtlich wirklich leb-, - also wehrlos. Und alle Chancen der Welt  eröffneten sich mir spontan, den Angriff mit einem Sieg abzuschließen.

Trotzdem ... sollte ich ihm den Kopf einfach so und brutal vom restlichen Leib trennen? ... oder doch vielleicht lieber von hinten feige anschleichen? Gedanklich vollführte ich wahre Gruseltaten.

Fast hatte ich das Gefühl, der Fisch spürte mein Mitgefühl, Mitleid oder hatte schlichtweg Angst?
... irgendwie schaute er eine Nuance leidender. So fand ich jedenfalls in diesem Moment.

Dieser Moment hielt jedoch nicht lange an.
Entschlossen ergriff ich das Mordwerkzeug, rechnete mir dennoch die Angriffsfläche aus, welche ich nun mit Erfolg abzuschließen gedachte.

Mitten hinein ins Geschehen drückte ich mit einem Schwung und Druck die Gabel, folgend das seltsame Messer, welches sich offensichtlich, offenbar als Fischmesser auswies.

Es quietschte ... schrill ... ohrenbetäubend ...
... anhaltend ... meinte ich jedenfalls gefühlsmäßig, hielt auch sogleich den Atem an, und schaute in Richtung des Pärchens, um die Reaktion abzutesten. Dieses interessierte sich nur für sich und nicht die Bohne für mich und meinen toten Fisch auf dem Teller. Erleichtert atmete ich auf.

In diesem Moment - das hätte ich besser nicht getan! - wurde mir,  vielmehr dem Fisch, die spiegelglatte Fläche des Untergrunds, nämlich das Porzellan des Fischtellers, zum Verhängnis. Verhängnis in dem Sinne, dass der Fisch wie ein Wirbelwind lufttechnisch total sicher einen Salto Mortale absolvierte, der jedem Künstler in der Manege den Rang ablief.
Mit einem dumpfen Platsch auf den eiskalten Fliesen des Restaurants endete dieser jedoch abrupt und schneller als erwartet.

... meine daraufhin aufkeimende Übelkeit konnte ich fast nicht unterdrücken.

Und trotzdem: Der Fisch musste wieder auf den rettenden Teller und die Situation so schnell wie möglich bereinigt werden ... und das möglichst, ohne dass es jemand sah!

Die Serviererin beschäftigte sich am Tresen - mit dem Rücken zu mir, meinem Fisch ... und meinem Desaster; das Pärchen hatte nur Augen für sich. Eine mehr als gute Gelegenheit schnell zur Tat zu schreiten und den Fisch ans rettende Ufer, vielmehr wieder zurück auf den Tisch, den Teller, zu jonglieren, hantieren ... oder wie auch immer.

Das allerdings war leichter gesagt als getan. Den Fisch, aalglatt, obwohl es gar kein Aal war, mit der Gabel aufspießen - eine doch waghalsige Idee, denn wer weiß welches Glatteis dann wieder wartete, weshalb ich in Sekundenschnelle einfach spontan mit beiden Händen zugriff und so die Rettung vollführte - hinauf auf den Tisch, auf meinen Teller.

Da lag sie nun - die gerettete Makrele -, als wär (fast) nichts gewesen ... und! ... ungesehen der Anwesenden ... puuh ...
Ich machte gedanklich drei Kreuze!

Appetitmäßig ist mir dieser total vergangen.

Schnell stürzte ich daher die Halbe (Bier) hinunter; dazu "Prost, Mahlzeit!" flüsternd.

Ich bezahlte und verließ recht schnell das Lokal. Die Bedienung schaute zwar etwas verwundert und fragte noch fast schuldbewusst, ob es mir nicht geschmeckt hätte und ob an der Makrele vielleicht etwas nicht gestimmt hätte (?!?), was ich sogleich verneinte.

Schade eigentlich, denn die Makrele sah appetitlich aus. Trotz des Mitleids, welches sich zwangsläufig detailmäßig für die tot darniederliegende Spezie einfand.

Die nächse Mahlzeit war daher schon gepongt. Allerdings mit zuvorderer, mehr geheimerer Übung der Zerlegetechnik, um das eventuelle Trockenschwimmen einer toten Spezie von vorneherein auszuschließen.

(Eine teilwahre Begebenheit über die erste Fischmahlzeit in einem Restaurant.)