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Donnerstag, 21. August 2014

eine schlimme Pein: Das Radfahren lernen ...

... die Gedanken sich frei ...
Ein spontaner Gedanke, der mir dazu entspringt, wie's vielleicht ein wenig poetisiert heißen mag.
Alte Volkslieder, die doch mit viel Sinn geschrieben wurden und immer wieder Anwendung finden.

Das Fahrradfahren ist ein Punkt in meinem Leben, den ich zu meinen festen Fixpunkten rechne.
Einmal die Freiheit, die mich dabei befällt.
Die Freiheit, das Wissen, jetzt ... ja jetzt ... verlieren sich negative Einflüsse. Sie verfliegen sozusagen wirklich wie der Fahrwind, der wie ein Wegwischen sämtlicher Nebel wirkt.
Klingt vielleicht ein wenig negativ. Aber jedes Negative hat bekanntlich was Positives.  So auch hier.

"Ich kann das blöde Fahrradfahren nicht leiden!", schrie ich förmlich hinaus, wenn die "Traktur" des Zweirades auf mich zukam. Muttern wollte, dass ich das auch kann - weil es eben alle konnten, nur ich nicht.
So war fast jeden Tag nach der Grundschule das Üben angesagt. Ich zuerst ganz positiv der Sache gegenüber eingestellt, hatte nach zahlreichen Fehlversuchen, die dann meist im seitlichen Drehverfahren Richtung Maschendrahtzaun des Nachbarn endeten, dazu noch Schürfwunden aufwiesen, die Faxen mit dem Radeln einfach dicke.
Das Dumme war halt nur, dass das Fahrrad - eigentlich auch nur ein kleines Kinderrad - immens teuer war und von daher musste das mit Biegen und Brechen natürlich durchgeführt werden.
Komme was da wolle, die Tochter musste das Fahrradfahren lernen!

Welche Schmerzen - körperliche wie auch seelisch-drückende - sich in mir allein gedanklich emporschoben, wenn die "Fuhre" wieder stattfand, konnte man sich gar nicht ausmalen.

Einmal - es war wieder so ein Nachmittag - hatte ich das schöne neue Fahrrad so derart demoliert (nach zahlreichen Direkt-Nahverfahren des Maschendrahtzauns des Nachbarn auch wirklich kein Wunder), dass Muttern tatsächlich einige Tage Ruhe gab.

Mit Erleichterung und totaler Befreiung sah ich die Sache als erledigt an. Allerdings ...
... hatte inzwischen die Erpressung, das Teil beherrschen zu müssen, doch eine gewisse Wirkung in mir hinterlassen, so dass ich klammheimlich das Mordsgerät aus dem Schuppen holte und meine eigenen Erfahrungen damit machte.

Mutter sollte es nicht wissen!

... eigentlich ... wenn ich mir das so überlegte ... fand ich das Fahren dann doch recht schön!? ...

Der Fahrwind, der - wenn auch nur flüchtig - einer gewissen Freude des Eroberns Ausdruck verlieh  - hatte was ....

Ideen kamen mir oft spontan, weshalb mir auf einmal der rettende Wink wie ein Funken entgegensprühte. Der Funke äußerte sich darin, den kleinen Hügel vor dem Haus als Versuchskaninchen zu missbrauchen. Das zwar inzwischen eiernde Hinterrad ignorierend, schob ich ganz mutig das Vehikel zur Hälfte - ganz nach oben, war dann doch zu offenbar! - hinauf, drehte es um, setzte mich flitzeschnell auf den Sattel und trat wie besessen in die Pedale.
... es sollte rollen, rollen, rollen und nicht in die Schräge gehen ... und das tat es dann auch tatsächlich!

... und wie durch ein Wunder ging es durch die anscheinend rasendere Fahrt;
ich fuhr!!! ... fuhr mit dem Fahrrad! .... fuhr, rollte ... ja ... sauste fast!

Freude, obergroße Freude! ... ich hatte das Fahrrad erobert!
Der Stolz wuchs mitsamt meinem Selbstbewusstsein ins Unermessliche.
... so sehr, dass ich nach ein paar Versuchen den Hügel von ganz oben eroberte.

Eine Freundin kam zufällig vorbei. "Wart, ich hol auch mein Fahrrad", meinte sie, als sie mich so von der Anhöhe heruntersausen sah.

Schön!!! ... womit ich sagen will: WO EIN WILLE IST, IST IMMER AUCH EIN WEG! ;)

UND: Das Fahrradfahren ist bis heute mein Lieblingsausgleichssport, den ich noch immer mit viel Freude und Ausdauer ausführe.

"Ohne mein Rad bin ich ein halber Mensch", sage ich oft zu meiner Familie.
... und das ... stimmt wohl auch.

Samstag, 12. Juli 2014

... und draußen bellt ein Kind.

Es ist Samstag. Ein angenehmer Julitag reicht über den Mittag. Meinen Kaffee habe ich heute spät getrunken. Es halb zwei; halb zwei nachmittags.
Manchmal verdecken ein paar zügige Wölkchen den Himmel. Ein sanfter Wind lässt sie ziehen.
Ich denke über den weiteren Ablauf des Tages nach, als plötzlich eine Frau mit Hund und einem halbwüchsigen Jungen die Straße entlang kommt. Nichts Ungewöhnliches soweit.

Der Junge ist recht blass, rothaarig, was nun auch nicht außergewöhnlich erscheint. Der Junge trägt eine lange Hose, den Oberkörper bedeckt kein T-Shirt. Auch nicht weiter tragisch. Sie laufen gemütlich den Weg entlang. Ein Bauzaun umgibt eine brachliegende Fläche, auf der zukünftig gebaut werden soll. Der Bauzaun macht Lärm. Eigentlich nicht.

Die drei bleiben am Bauzaun stehen. Stehen auch deshalb, da der Junge sich am Bauzaun festgekrallt hat. Er rüttelt ihn. Es lärmt, wie eben ein Bauzaun lärmt, wenn man ihn ständig rüttelt.  Ich schaue nun genauer hin. Der rothaarige Schopf geht immer im gleichen Takt. Mit dem Rütteln des Zauns. Dabei stößt er seltsame Laute aus. Das dauernd Gleichbleibende macht mich stutzig: Das ist kein Jungenspiel mehr.

Die ihn begleitende junge Frau macht wenig Anstalten, ihn von seinem Vorhaben, den Zaun ständig zu rütteln, abzubringen. Sie schaut unbeteiligt. Der Hund ist ruhig. Es kennt offenbar solche Situationen. Der Junge ist nicht normal. Es erschreckt mich. Mitleid kommt bei mir auf. Dieser junge Mensch, sein Leben noch vor sich, im Anflug der Manneskraft, und es doch niemals richtig bewußt werdend.
Er bellt. Es klingt wie ein aus tiefster Brust kommendes Bellen. Wie ein Anfall von Keuchhusten. Immer wieder in kleinen Abständen. Abwechselnd mit spitzen Schreien rüttelt er weiterhin am Bauzaun.
Dann nimmt ihn die junge Frau kurz weg. Sie gehen um die Baustelle herum, auf die andere Seite,  dort setzen sie sich auf den Gehsteig. Der Junge stößt weiterhin spitze Schreie aus, die von keuchhustenähnlichem Bellen in kleinen ruhigen Abständen, in denen er immer den Kopf hin- und her dreht, begleitet werden.
Dann zieht er spontan seine Schuhe aus. Wirft sie auf die Straße. Die Straße ist ohne Verkehr. Es ist eine verkehrsberuhigte Wohnstraße. Die Frau steht auf und holt den Schuh wieder. Zieht ihn wieder an. Worauf der nächste Schuhe in halbhohem Bogen durch die Luft fliegt.

Auf dem angrenzenden Rad- und Fußweg kommen Menschen heran. Sie schauen. Manche bleiben auch verwundert stehen. Dann gehen wie weiter. Die seltsamen Handlungen des Jungen berühren sie dennoch. Es ist fremd. Fremdheit macht unsicher.
Unsicher etwas gehen sie auch weiter.
Manche sagen auch einfach: "Der spinnt ..."

Das sind solche Situationen,  Momente, Begebenheiten, wo man doch froh ist.
Froh, dass man "normale" Kinder bekommen hat. Das Leid nicht mit ansehen muss. Obwohl der Leidtragende ja nicht das Kind ist, sondern doch mehr die Begleitenden. Die, die sein Leid mit ansehen und begleiten müssen.
Denn helfen, helfen kann man nicht.

("Sie" = ich; reale Begebenheit)

Samstag, 21. Dezember 2013

Das Christkind - eine Frau.

Ja. Bald ist es wieder einmal soweit.
Das Christkind kommt.
Für mich ja inzwischen schon das 57. Mal in Folge. Allerdings ein richtiges Christkind habe ich das erste Mal vor genau 53 Jahren gesehen. Dieses Christkind war gar kein Kind!

Meine Kindheit auf dem Dorf im Fränkischen Umland war ruhig. Bescheiden. Bescheiden auch die Geschenke. Die Eltern wenig Geld.
Doch! Einfälle waren dafür umso mehr angesagt. So auch beim Thema Weihnachten, vielmehr dem Christkind.

Bei vielen kommt ja seit Unzeiten der Weihnachtsmann. So einen kannten wir damals ja nicht. Außer der Bulzermärtel, Pelzmärtel genannt, welcher sich als St. Martin höflich vorstellte und einem doch ein wenig die Nackenhaare zu Berge stehen ließ, wenn seine tiefe Stimme das Hohoho ausdrückte und das auch noch lauter als die kindlichen Hörorgane das vertragen konnten.

Das Christkind war eine Frau. Eine sehr realistische. Wie ich später dann auch feststellte.

So um die vier Jahre herum war ich da. Der Heilige Abend der Geschenketag.
Da war immer viel Aufregung und Arbeit. Der Christbaum wurde vorbereitet. Vater sägte ihn meist zurecht. Denn nie passte der Stamm der Fichte in den eisernen Ständer.

Die Kugeln wie überhaupt der Baumbehang waren jedes Jahr dieselben. Nur die Kerzen wurden natürlich frisch gekauft.  Denn abgebrannte hatten den Nachteil: sie brannten einfach nicht.

Um vier Uhr nachmittags war der Baum dann startklar. Startklar für die Geschenke, welche dann unter dem geschmückten Christbaum zum Auspacken lagen.

Vorher war immer Krippenspiel angesagt. Dafür ging Mutter mit mir in die Kirche, während Vater komischerweise immer zu Hause blieb. Und wenn wir dann von der Kirche heimkamen, war das Christkind dagewesen und hatte die bunten Päckchen mitgebracht. Gesehen hatte ich es nie. Und immer war ich auch enttäuscht deswegen.

Einmal aber durfte ich es doch sehen. Das war sehr spannend. Als Mutter und ich wieder aus der Kirche kamen und ich mit Spannung darauf wartete, die Päckchen auspacken zu dürfen oder welche Geschenke es überhaupt geben würde, war an diesem Heiligen Abend doch etwas düstere Leere. Denn es gab keine Päckchen. Dafür musste ich still sein, denn es kam jemand Unerwarteter.

Es klopfte an der Wohnungstür. Meine Mutter sagte "psst! ... das ist das Christkind", und öffnete.
Ich schaute mit großen Augen und offenem Mund auf die Türe. Eine weiß gekleidete Frau mit Schleier trat in die Stube. Sie klingelte mit einem goldenen Glöckchen und fragte sehr freundlich, ob ich denn brav gewesen sei das Jahr über und ob ich vielleicht auch ein Verslein aufsagen könne.
Schüchtern nickte ich. Aus dem Kindergarten kannte ich ein paar Adventslieder.
Also sagte ich den ersten Vers von "Ihr Kinderlein kommet" auf. Mehr fiel mir auch nicht ein.

Die weiße Braut - ja, so sah sie auch aus - klingelte erneut mit dem goldenen Glöckchen und freute sich sichtlich. Dann sagte sie zu mir, dass ich das sehr gut gemacht hätte und dafür habe sie ein Geschenk für mich mitgebracht.
Sie drehte sich um und brachte etwas Länglich-Viereckig-Sperriges herein.

Ich war ganz aus dem Häuschen vor Freude. Es war eine Puppenstube. Zwei Zimmer. Eine Wohnstube mit kleinen Möbeln. Sesselchen, Tischchen und sogar ein Wohnzimmerschrank im Stil der Sechziger mit eingeklebten Büchern. Alles aus lackiertem Holz. Das zweite Zimmer nebenan war das Schlafzimmer. Mit kleinen Bettchen und einer Kommode. Zwei dazu passende Püppchen saßen auf den Sesseln. Bereit zum ... Spielen ...

Überglücklich fing ich sogleich mit dem Spielen an. Merkte kaum noch, wie das Christkind sich verabschiedete.

Der Eindruck war so enorm, dass ich auch heute noch nach fünfzig Jahren die Episode genauso lebendig vor meinen geistigen Augen sehe. So als wäre es erst gestern gewesen. So stark war dieser Eindruck - ein lebendiges Christkind zum Anschauen!

Ein paar Tage später gingen wir zu einer Verwandten. Sie wohnte ein paar Häuser weiter. Dort lag auf einer Kommode ein weißer Schleier und ich hatte sofort richtig getippt, als ich spontan zu meiner Mutter sagte: "Gell, Mama, das Christkind war die Tante Helga!", was diese natürlich sofort verneinte.

Schade. Ein weiterer Besuch des Christkinds folgte dann nicht mehr. Ich fand die Aufführung einfach wunderbar. Und als das Christkind (mein Tante Helga) an diesem Heiligen Abend, dem 24. Dezember, eintrat, glaubte ich die Sache auch wirklich und war richtig beeindruckt von dieser weißen, heiligen Frau.

Die Puppenstube hatte ein Onkel selbst gebastelt. Er war Schreiner von Beruf. Ein richtiges Prachtstück.
Wirklich schade, dass es diese Puppenstube nicht mehr gibt. Mutter hatte sie entsorgt als ich groß war.
Doch die Erinnerung an das leibhaftige Christkind, die ... ja die kann man nicht "entsorgen". Schön.